Der einfachsten Aufbau, den eine Gewitterzelle haben kann ist die sogenannte Einzelzelle. Wie der Name bereits sagt, handelt es sich hierbei um nur einen einzigen Aufwind. Zumindestens der Einfachheit halber kann man das so sagen, denn auch eine Einzelzelle besteht aus vielen Aufwinden, welche sich zusammen geschlossen haben. Es geht bei der Klassifizierung viel mehr um den Aufbau der Zelle. Eine Einzelzelle hat eine Lebensdauer von 30min bis zu einer Stunde. Dabei durchläuft sie mehrere Stadien, welche von den einzelnen Aufwinden, die sich zu der Einzelzelle zusammensetzen, gleichzeitig durchlaufen werden, weshalb man optisch nur einen große Aufwindturm wahrnehmen kann.
Auf dieser Seitenansicht kann man den Schnitt durch eine Eizelzelle sehen, wie sie sich entwickelt. Zunächst haben wir ganz links eine größere Cumuluswolke, welche sich dann zu einem Cumulonimbus entwickelt. In diesem Stadium ist das Auf- und Abwindsystem der Gewitterzelle ausgelichen, der Aufwind verliert an Stärke, da die Gewitterzelle sich ihre eigene Versorgung mit frischer Luft vom Boden durch den Abwind abschneidet. Dieser unterläuft die Gewitterzelle und so wird der Aufwind von seinem Zustrom abgeschnitten. In diesem Stadium ist mit der höchsten Blitzaktivität zu rechnen, da die Zelle durch das Vorhandensein von Auf- und Abwind am stärksten turbolent ist, es reiben mehr Luftteilchen an einander, die die Gewitterwolke aufladen, vereinfacht dargestellt. Auch ist in diesem Stadion mit dem stärksten Fallwinden und Niederschlägen zu rechnen, welche aber nur von kurzer Dauer sind. Etwa 20min bleibt die Zelle in diesem Stadion, je nachdem wie schnell der Abwind den Aufwind abschneidet. Dies hängt von der Gewitterlage ab und den Bedingungen, die an diesem Tag vorhanden sind. Das letzte Stadium ist das Zerfallsstadium, dies tritt ein, wenn es bereits keinen Aufwind mehr gibt und noch der letzte Niederschlag aus dem Eisschirm ausfällt. Die Blitzaktivität geht bis auf null zurück und der Niederschlag wird auch immer schwächer. Es hängt nur noch der Eisschirm der Zelle in der Luft und regnet ab.
Hier sieht man eine typische Einzelzelle, die kurz vor dem Zerfallsstadium steht. Man sieht deutlich, wie der Niederschlag aus dem Eisschirm ausfällt und wie verwaschen der Aufwindturm bereits aussieht.
Dies ist eine typische Radarsignatur für eine Einzelzelle. Sie besitzt nur einen Kern auf dem Radarbild und ist in Windrichtung verweht. Wenn die Einzelzelle dieses Stadion auf dem Radar hat, wird sie in den nächsten Minuten ihre Aktivität einstellen. Ein Verfolgen der Gewitterzelle ist daher nicht zu empfehlen.
Gefahren bei Einzelzellen
Bei den passenden Bedingungen können auch Einzelzellen unwetterartige Erscheinungen mit sich bringen, welche jedoch durch ihre Kurzlebigkeit örtlich stark begrenzt bleiben. So können sogar Orkanböen herab gemischt werden, oder die Blitzdichte ist sehr hoch so das lokal sehr viele Blitze nieder gehen. Auch Hagel bis zu 3cm kann in Einzelzellen möglich sein.
Vorkommen von Einzelzellen
Einzelzellen kommen häufig bei Lagen mit wenig Dynamik vor, wo sich die Gewitter kaum stark organisieren und keine lange Lebenszeit haben. Dies ist oft der Fall im Zusammenhang mit Höhenkaltluft oder Kaltlufttropfen im Sommer. Auch bei tropischen Gewitterlagen, bei denen kaum große Entwicklungen statt finden, kommt dieser Typ Gewitter oft vor. Eingelagert in größere Systeme wie Clustern oder MCS gibt es immer wieder Einzelzellen. Im Grunde setzt sich jedes Gewitter aus Einzelzellen zusammen, jedoch spricht man nicht davon, sondern nur wenn sie auch als diese zu erkennen sind.
Multizelle
Die Multizelle ist die nächst höhere Stufe des Gewitters. Alles was über die Einzelzelle hinaus geht ist eine Multizelle. Eine Multizelle setzt sich quasi aus mehreren Einzelzellen zusammen, die als ein System agieren. Sie vereint daher Einzelzellen in verschiedenen Reifestadien in einer Gewitterzelle. Eine Multizelle bezeichnet man als organisiert, da hier der Aufwindbereich und der Abwindbereich der Zelle getrennt sind. Jedoch gibt es auch hier wieder Unterschiede, man würde eine Multizelle bei einer Kaltluftlage als weniger organisiert bezeichnen, als eine extrem starke Multizelle an einer Kaltfront.
Gefahren bei Multizellen
Schon wie bei der Einzelzelle sind die Gefahren bei der Multizelle auch von der Gewitterlage abhängig. Bei starken Höhenwinden können diese auch Orkan bringen. Die Niederschläge sind vor allem von der Art des auftretens der Multizelle (Retrogerad, Gestaffelt, Linie...) als auch von deren Intensität abhängig. In der Regeln wird der Hagel in Multizellen nicht größer als 3cm, jedoch gibt es die Möglichkeit, dass die Hagelembryos von Aufwind zu Aufwind weiter gereicht werden, so können sich auch über 5cm Hagelkörner bilden. Die Gefahr von Blitzen ist immer gegeben, jedoch entscheidet die Art der Luftmasse darüber, wie häufig diese auftreten. Nicht die Art des Gewitters verursachen die Unwetter, sondern die Randbedingungen wie Wind, Energie und Labilität!
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Diese Grafik verdeutlicht sehr gut, dass eine Multizelle mehrere Einzelzellen in unterschiedlichen Stadien enthält. Zunächst hat man links die sich neu bildenden Aufwinde, dann folgt in der Mitte der Zelle ein reifer Aufwind aus dem der stärkste Niederschlag fällt und rechts ist der alte Eisschirm, welcher sich am abregnen ist. Wie man sieht, ist hier der Aufwindbereich (links) vom Abwindbereich (rechts) getrennt.
Eine reale Aufnahme ist natürlich das beste, um zu sehen wie eine Multizelle aufgebaut ist. Links sieht man, wie die jungen Aufwinde immer weiter nach oben steigen. In der Mitte ist eine reife Zelle, welche sogar ein Overshooting Top hat. Rechts davon ist der verwaschene Eisschirm mit den alten Zellen, welche sich dort abregnen.
Auf diesem Bild sieht man wieder ein Radarbild einer Multizelle. Deutlich zu sehen sind mehrere "Kerne" in unterschiedlichen Stadien. Man bezeichnet das ganze hier als "Kerne", da man von einer Multizelle spricht. Eine Multizelle hat daher mehrere Kerne, wo hingegen eine Einzelzelle nur einen solchen Kern besitzt. Wie man sieht, hat die Zelle eine Zugrichtung und eine Entwicklungsrichtung. Die neuen Zellen bauen immer an einer Seite neu an, so das sich die Zelle in die Richtung bewegt, in der sich die neuen Zellen entwickeln. Man muss also eine Vektoradition durchführen um die tatsächliche Verlagerungsrichtung der Zelle festzustellen. Man adiert hiefür den Windvektor und den Vektor der Anbaurichtung.
Nun kommen wir zu einem Sonderfall der Multizelle. Wenn sich die Entwicklungsrichtung der Zelle und die Zugrichtung gegenseitig aufheben, also sich diese beiden Vektoren zu 0 adieren, dann bleibt die Gewitterzelle an Ort und Stelle stehen. In diesem Fall spricht man von einer Retrogeraden Multizelle. Auf dem Radar erkennt man sie ganz leicht daran, das sie sich nicht, oder zumindestens kaum, von der Stelle bewegt. Das zweite Anzeichen ist ein lang gezogener Niederschlagsstreifen der mit der Windrichtung durch den verblasenen Eisschirm entsteht. Solche Zellen können mehrere Stunden überleben und sind daher auch potenziell gefährlich. Langanhaltende Niederschläge können vor allem im Bergland leicht zu Überschwemmungen führen. Wenn sich solch eine Zelle in einem Tal fest setzt, belibt sie dort erst einmal einige Zeit.
Auf dieser Radargrafik sieht man gestaffelte Multizellen. Sie ziehen z.B. an einer Luftmassengrenze oder stationären Kaltfront entlang, hinter einander gestaffelt. Auch hier besteht wieder hohes Unwetterpotential, da so ein Ort ganz oft hinter einander von den Zellen getroffen werden kann. Auch hier stellt der Niederschlag wieder die größte Gefahr da. Starke Windböen sind abhängig von der Gewitterlage und können daher auch zur Gefahr werden.
Und ein weiterer Spezialfall, hier sieht man eine sogenannte Multizellenlinie. Mehrere Multizellen ziehen hier aneinanderhängen in einer Linie voran. Dies ist möglich, da die unverbrauchte Luft, der Inflow, genau von vorne in Zugrichtung in die Aufwinde hinein strömt. Die Kaltluft fällt hinter der Linie nach unten und läuft nach hinten aus, so das die Aufwinde nicht unterlaufen werden. An der Pseudokaltfront befindet sich die Böenfront, an dieser kann man dann eine Shelfcloud beobachten. Kurz nach dem passieren dieser Shelfcloud ist mit den stärksten Windböen zu rechnen. Solch eine Linie betrachtet man als hoch organisiert.
Entstehen tun solche Multizellenlinien an Konvergenzen oder Kaltfronten, wenn der Wind orthogonal auf diesen steht. Starke Höhenwinde uns wneig Scherung werden zudem noch benötigt. Zusätzlich sollte ausreichend Energie vor der Multizellenlinie gelagert sein, damit die Versorgung nicht abbricht. Bergiges Gelände hemmt die Bildung solcher Linien, da die Orographie durch Strömungseffekte die Linie zereisen kann. Deshalb bilden sich solche Linien am ehesten im Flachland aus.
Nun kommen wir zu einem weniger organisiertem System aus Multizellen, dem sogenannten Cluster. Wenn bei kaum vorhandenem CINH (Siehe Theorie zu "Soudnings") viele Multizellen neben einander auslösen, verclustern diese schnell. Dabei nehmen sie sich gegenseitig die Energie weg und zerfallen. Auch schneiden die Abwinde der einen Multizelle die Aufwinde der anderen Multizelle ab. So kann sich kein organisiertes System heraus bilden und deshalb leben solche Cluster nicht besonders lange. Auch hier kann es, je nach Gewitterlage, bei den Anfängen der verclusterung zu Unwetterartigen Erscheinungen kommen. Auch lagen ohne starke Höhenwinde und kaum Scherung begünstigen die verclusterung, da der Abwind so nicht weit genug weg kommt vom Aufwindbereich, er wird nicht von der Oberströmung relativ zum Aufwind versetzt und so stören sich beide gegenseitig.
Multizellen können nicht nur als unorganisierter Cluster auftreten sondern auch Teil eines größeren Systems sein, wie hier in einem MCS. Was ein MCS ist, darauf gehe ich in einem anderen Teil der Theorie ein. Man sieht außer der Multizelle noch eine Superzelle unten am Ende des MCS und oben eine Squalline. Die Multizelle ist in diesem Fall also eine Beta Struktur des MCS, da sie ihm untergeordnet ist als steuerndes System. Hier geht es zur MCS Theorie!