Entstehung von Tornados
Vorwort:
In den nachfolgenden Sachtexten werden immer nur die Begriffe Tornado, Waterspout oder Landspout verwendet. Sie beschrieben dabei alle das selbe Phänomen des Tornados, jedoch zur besseren Einteilung der Tornados werden diese drei Begriffe verwendet, welche hauptsächlich auf die Art der Entstehung des Tornados zurück zu führen sind, also ob es Typ I oder Typ II ist.
Die deutschen Synonyme Wasserhose und Windhose beschreiben das Phänomen des Tornados, auf diese Begriffe werde ich jedoch verzichten, da sie verharmlosend wirken. Genau so möchte ich mich von Begriffen wie "Mini Tornado" distanzieren. Bei Tornados gibt es kein "mini". Tornado ist Tornado.
Typ I Tornados - Tornados unterhalb einer Mesozyklone
Den ersten Typ Tornado den ich hier behandeln werde ist der sogenannte Typ I Tornado. Dieser tritt unter einem persistenten rotierenden Aufwind auf, einer sogenannten Mesozyklone. Bevor man also nun den Tornado betrachtet, muss man erst die Entstehung einer Mesozyklone behandeln.
Was ist eine Mesozyklone?
Eine Mesozyklone ist ein langanhaltend rotierender Aufwind innerhalb einer Gewitterzelle. Dies muss nicht einmal eine Superzelle sein, auch normale Multizellen können eine Mesozyklone enthalten, genau so wie sie Teil eines größeren Gewittersystems (MCS/MCC) sein können. Da in jeder Gewitterzelle Rotation vorhanden ist durch lokal bedingte Windscherung und durch Wirbel innerhalb jedes Gewitteraufwindes muss für eine Mesozyklone der großteil des Gewitteraufwindes eine langanhaltende (>15min) Rotation aufweisen von der wenigstens 1/3 des Aufwindes betroffen sind. In den meisten Fällen befindet sich dieses Rotationszentrum anfänglich in der Mitte des Gewitteraufwindes, also genau auf der Hälfte des Weges zwischen Basis und Eisschirm. Dies hat den einfachen Grund, dass der Aufwind in diesem Bereich am laminarsten ist und sich hier deshalb eine Rotation am leichtesten ausbilden kann. Bei besonders langlebigen Mesozyklonen beginnt dann sich die Rotation auch bis hin zur Basis des Gewitteraufwindes vorzuarbeiten, so wird die anfänglich nur in mittlerer Höhe (Mid level Mesocyclone) vorhandene Rotation bis in Bodennähe (Low level Mesocyclone) verlagert. Diese Verlagerung der Rotation an den Boden ist ein sehr wichtiger Grund für die Bildung eines Typ I Tornados.
Entstehung des Tornados - Low Level Mesocyclone
Bei besonders langlebigen Mesozyklonen (in Superzellen) ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich die Rotation des Aufwindes bis an den Boden voran arbeitet. Hat der Gewitteraufwind erst einmal Rotation an seiner Basis entwickelt, ist einer der Faktoren für einen Tornado gegeben.
Entstehung des Tornados - Niedriger Spread
Ein wichtiger Faktor für die Entstehung eines Tornados ist eine niedrige Differenz von Temperatur und Taupunkt, da diese darüber bestimmt, wie Tief die Basis des Gewitteraufwindes ist. Dieser Zustand kann von vorne herein gegeben sein, etwa durch eine sehr feuchte Grundschicht, oder er entsteht erst durch das Gewitter selbst. Da bei einem Gewitter immer ein kalter und feuchter Abwindbereich existiert, ist dieser ein sehr nützlicher Lieferant von feuchter Luft. Ein kleiner Teil dieser angefeuchteten Luft aus dem Abwindbereich kann wieder in den Aufwind der Gewitterzelle eingebunden werden. Da diese Luft aus dem Abwind feuchter ist, als die unverbrauchte Luft mit der der Gewitteraufwind sonst versorgt wird, bildet sich eine so genannte Wall Cloud heraus. Eine Wall Cloud ist eine Absenkung unterhalb der Aufwindbasis einer Gewitterzelle (Fast ausschließlich Superzellen), in dem Bereich wo sehr feuchte Luft aus dem Abwind in das Gewitter "gesaugt" wird. Da diese feuchte Luft aus dem Abwind einen höheren Taupunkt hat als die sonstige das Gewitter umgebende Luft wird hier lokal früher das Cumulus Condensation Level (CCL) erreicht, also das Niveau ab dem Wolkenbildung beginnt. Dadurch wird lokal unterhalb des Gewitters diese Absenkung heraus gebildet. Befindet sich diese Absenkung nun unterhalb einer Mesozyklone kann es nun sein, dass sie zusätzlich anfängt zu rotieren und die Gewitterzelle wäre nun noch einen weiteren Schritt näher an der Bildung eines Tornados.

Auf diesem Bild sieht man deutlich eine Wall Cloud als Absenkung unter einer Aufwindbasis. Man erkennt auch deutlich, wie kalte Luft aus dem Abwindbereich hoch gesaugt wird.
Entstehung des Tornados - Hohe Low Level Lapse Rates
Ein weiterer begünstigender Faktor zur Bildung eines Tornados sind hohe Low Level Lapse Rates. Als Lapse Rates bezeichnet man in der Meteorologie die Temperaturabnahme mit zunehmender Höhe. Ist diese Temperaturabnahme vor allem in der Grundschicht sehr groß, also etwa 0-1000m über Grund, hat ein Luftpaket am Boden besonders viel potenzielle Energie bzw. ein besonders starkes Bestreben aufzusteigen. Dadurch erreicht es nach sehr kurzer Zeit bereits in Bodennähe eine hohe vertikale Geschwindigkeit, was zur Folge hat, dass sehr viel Luft am Boden nach strömen muss um das geringe Vakuum unterhalb des Gewitteraufwindes auszuglichen.
Entstehung des Tornados - Storm Relative Helcity
Bei der SRH handelt es sich um einen komplexen Parameter in der Vorhersage von Tornados bzw. Superzellen. Wenn sie dies nicht verstehen ist es nicht weiter schlimm.
Um den Parameter SRH zu verstehen muss man sich etwas weiter in die Thermodynamik von Gasen hinein denken. Auf Deutsch übersetzt heißt es "Sturm relative Wirbelhaftigkeit" und um Wirbelhaftigkeit geht es hier, und zwar um die Wirbelhaftigkeit der Luftmasse, die das Gewitter umgibt, also sich in dessen relativer Nähe befindet. Hierfür muss man erst einmal beachten, in welchen Faktoren sich Luftmassen unterscheiden können. Hier haben wir Temperatur und Feuchtigkeit. Damit sich zwei Luftmassen unterscheiden, muss entweder in Temperatur, Feuchtigkeit oder in Beidem ein Unterschied zu einander bestehen. An solchen "Luftmassengrenzen" entsteht SRH. Dies kann man sich so vorstellen, als wenn man kaltes gefärbtes Wasser in warmes, andersfarbiges Wasser gießt. Es entstehen kleine Verwirbelungen bzw. auf kleinem Raum viele Rotationszentren. Hier haben wir nun also unsere Wirbelhaftigkeit gefunden, welche auf das Ausgleichsbestreben von Gasen zurück zu führen ist. Da Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist und sich Wasserdampf schon gar nicht ohne Durchmischen von einem auf das andere Luftpaket übertragen werden kann, bleibt nichts anderes übrig als eine Durchmischen bzw. Ausgleichbestreben zwischen den Gegensätzlichen Luftpaketen.

Hier sieht man ein Sounding mit erhöhter SRH durch diverse markante Trockenlufteinschübe.

Auf diesem Sounding ist die SRH sehr gering, da die Schichtung sehr homogen ist. Zwar ist die Luft in der Höhe Trockener, jedoch ist der Übergang von feuchter zu Trockener Luft sehr gleichmäßig, weshalb kaum große Luftmassengegensätze entstehen.
Da eine Luftsäule welche ein Gewitter umgibt eben nicht homogen ist durch z.B. Trockenlufteinschübe in der Höhe, befinden sich in der relativen Umgebung des Gewitters Bereiche und Schichten in der Luftsäule wo sich oben angesprochene Luftmassengrenzen befinden und an diesen Luftmassengrenzen findet nun eben ein Ausgleich statt und dieser stellt "Rotation" bzw. "Wirbelhaftigkeit" zur Verfügung. Das gleiche passiert nicht nur an verschiedene Luftschichten mit der Höhe, das ganze kann natürlich auch in der horizontalen passieren. Als Beispiel betrachten wir einmal das Gebirge mit seinen Hügeln und Tälern. Diese heizen sich am Tage unterschiedlich stark auf, so dass die Luft an den Südhängen wärmer ist als etwa die auf der anderen Seiten des Tales an den Nordhängen. Hier entsteht dann auf kurzer horizontaler Distanz ein größerer Luftmassengegensatz und auch hier findet ein Ausgleich statt, welcher SRH zur Verfügung stellt. Auch ganz simple größere sogenannter Wolkenstraßen, also sehr lange und ausgedehnte Wolkenbändern, stellen SRH zur Verfügung. Sie besitzen auch ein engräumiges Auf und Abwindsystem mit gegenteiligen Luftmassen und auch der Effekt von Schatten und nicht Schatten am Boden stellt SRH zur Verfügung. Da die Gewitterzelle, falls sie organisiert ist, nicht nur Luft am Boden einsaugt sondern auch aus etwas höher gelegen Luftschichten, kommt es vor, dass die Gewitterzelle sich in einem Bereich erhöhter SRH befindet (Tal in den Bergen, unterschiedliche Luftmasse mit der Höhe -> Trockeneinschub, Dry Intrusion). Die Verwirbelungen, die sich an solchen Grenzschichten ausbilden, also die SRH, werden in den Aufwind mit eingebunden und gemäß dem Gesetzt zur Erhaltung des Drehimpulses verstärken sie die Mesozyklone und damit die Rotation in dieser. Passiert dies sehr tief in der Mesozyklone, also im Low Level, kann solche SRH die Bildung eines Tornados begünstigen und ist ein wichtiger Faktor.
Entstehung des Tornados - Enhanced Storm Relative Helcity und RFD der Superzelle
Zuvor haben wir die SRH in der relativen Umgebung der Gewitterzelle betrachtet, nun kommen wir zur sogenannten Enhanced SRH, also die "Erweiterte Storm Relative Helcity" welche von Wettervorhersagemodellen nicht erfasst werden kann, da sie nicht auf die Luftschichtung und Luftmassengegensätze einer Großwetterlage basiert sondern auf kleinstem Raum von der Gewitterzelle selbst erzeugt wird, in diesem Fall bezogen auf Superzellen. Gewitterzellen im allgemeinen induzieren selbst einen großen Haufen an SRH durch ihren kalten Abwind und dem warmen Aufwind, besser gesagt durch ihren "Inflow", die warme in das Gewitter einfliesende Luft und ihren "Outflow/Coldpool", der kalten Luft aus dem Gewitter Abwind. Diese treffen unterhalb des Gewitters, mehr oder weniger laminar, auf einander. An diesen dadurch entstehenden "Pseudokaltfronten" entsteht dann sehr viel SRH. Besonders interessant und einer der wichtigsten Faktoren zur Entstehung besonders starker Typ I Tornados ist der Rear Flank Downdraft an Superzellen, vor allem an den Classic Superzellen. Bei LP Superzellen ist der RFD trocken und kaum ausgeprägt und bei HP Superzellen unterläuft der RFD den Aufwind fast vollständig, so dass hierdurch die Bildung von Tornados sogar unterbunden wird. Betrachtet man also den RFD der Classic Superzellen. Bei dem Rear Flank Downdraft handelt es sich um Luft aus dem FFD, dem Hauptabwindbereich der Superzelle, welche um den Aufwindturm der Superzelle herum gehoben wird und dann auf deren Rückseite zu boden kommt. Da der Aufwindturm der Superzelle wie ein "Keil" in der Atmosphäre ist, werden die Höhenwinde durch vertikalen Impulstransport hier besonders gut herab gemischt und so hat der RFD meist eine sehr hohe Geschwindigkeit am Boden. Jetzt kommt der springende Punkt, der RFD trifft nämlich direkt auf den warmen Inflow der Superzelle, weshalb an der Pseudokaltfront sehr viel SRH entsteht, auch begünstigt durch die hohe Geschwindigkeit des RFDs, da dadurch ein hoher Drehimpuls induziert. Da sich der RFD perfekt an den Aufwindturm der Superzelle schmiegt, trifft er am Boden direkt unterhalb des Mesozyklone ein, so dass er die Rotation unterhalb der Mesozyklone extrem beschleunigt. Zusätzlich senkt er den Spread unterhalb dieser, da sich im RFD Niederschlag befindet und die Luft daher einen hohen Taupunkt hat. Auf der Zeichung kann man dies sehr gut erkennen.


Auf der Zeichnung sieht man wie der Inflow und RFD direkt unterhalb der Mesozyklone auf einander treffen, wodurch hier sehr viel SRH entsteht welche direkt in die Mesozyklone einströmt und so deren Drehimpuls verstärkt bis hin zu einem Tornado.
Entstehung des Tornados - Wirbelstreckung und einbinden von enhanced SRH
Der letzte Schritt bei der Entstehung eines Tornados unter der Mesozyklone einer Superzelle besteht darin, dass die rotierenden Luftpakete mit hoher SRH aus der Pseudokaltfront in den Aufwind, also der Mesozyklone, mit eingebunden werden. Diese haben jedoch anfänglich eine horizontale Rotationsachse und werden erst durch den Aufwind um eine snekrechte Rotationsachse gestreckt. Diese sogenannte Wirbelstreckung sorgt dafür, dass die rotierenden Luftpakete auf eine viel engere Kreisbahn um das Rotationszentrum der Mesozyklone gebracht werden. Da jedoch das verlagern eines Luftpaketes von einer weiten auf eine engere Kreisbahn der Erhaltung des Drehimpulses zu Grunde liegt, muss das Luftpaket auf der engeren Kreisbahn eine viel höhere Winkelgeschwindigkeit haben, als auf der weiten Kreisbahn die es hatte, bevor der Wirbel durch den Gewitteraufwind gestreckt wurde. Dies hat zur Folge, dass die Rotation immer schneller wird. Das kann man sich vorstellen, wie wenn sie eine Halskette mit einem Medallion daran nehmen und zwischen Beiden händen locker herum schleudern. Ziehen sie dann die beiden Enden auseinander (Wirbelstreckung), beginnt das Medallion ganz stark und immer Enger umher zu wirbeln. Dies ist dann der Punkt, andem sich der Tornado unter der Mesozyklone heraus bildet und den Boden erreicht. Erst die existens des RFDs und dadurch induziertes sehr hoher SRH mit teilweise über 1000m²/s² am Boden unterhalb der Mesozyklone sorgen dafür, dass sich langlebige und sehr starke Tornados bilden können.

Typ II Tornados - Tornados ohne Mesozyklone
Als zweiten Typ von Tornados bezeichnet man alle Tornados, welche nicht unterhalb einer Mesozyklone entstehen. Diese bezeichnet man allgemein als Waterspout über dem Wasser oder als Landspout falls sie an Land auftreten.
Entstehung des Tornados Typ II - Hohe Surface Lapse Rates
Besonders wichtig für die Entstehung von Typ II Tornados sind extrem hohe Temperaturabnhamen in den unteren paar hundert Höhenmetern. Dies kommt zu stande z.B. wenn im Sommer ein plötzlicher Kaltlufteinbruch eintrifft und sich hier die typischen Kaltluftgewitter und Schauer bilden können. Hierbei wird dann durch die Sonne die bodennahe Luftschicht sehr stark aufgeheizt wodurch teilweise trockenlabile Schichtungen in der Grundsicht entstehen. Diese sorgen dafür, dass Luftpakete unter einem Gewitteraufwind sehr schnell aufsteigen und sich so eine starke Streckung der Luftsäule in Bodennähe entsteht, welche für die "verdichtung" von Drehimpuls auf eine engere Kreisbahn notwendig ist.
Entstehung des Tornados Typ II - Hohe Enhanced SRH
Als zweiter Faktor kommt eine hohe Enhanced SRH hinzu, da sie der Einzige Lieferant von Drehimpuls ist durch das Fehlen einer Mesozyklone. Diese kann entstehen an der Pseudokaltfront der Gewitterzelle. Wenn die Luftpakete mit erhöhtem Drehimpuls dann schnell gestreckt werden, kann sich so ein kurzlebiger Tornado heraus bilden.



Die drei Grafiken verdeutlichen, wie Tornados an einer Pseudokaltfront entstehen, wenn die Luftsäule durch den Aufwind des Gewitters gestreckt wird.

Auf diesem Bild sieht man sehr deutlich, wie sich einige Waterspouts an einer Pseudokaltfront ausgebildet haben. Über dem Wasser entstehen Typ II Tornados viel leichter, da hier keine Orographie stört und sich dadurch viel leichter ein laminares und langlebiges Rotationszentrum heraus bilden kann. Auch sorgt warmes Wasser bei einem Kaltlufteinbruch dafür, dann sich hohe Lapse Rates über dem Meer ausbilden. Auch Feuchtigkeit wird bereit gestellt.
Entstehung des Tornados Typ II - Hohe Grundschichtfeuchte
Damit ein Tornado einfacher den Boden erreicht ist eine hohe Feuchtigkeit in der Grundschicht nötig als wichtiger Faktor für Typ II Tornados.
© 2013 Bastian Werner